Frau Hässig macht mich hässig!

     


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Eine halbe Million Frauen nahm am 14. Juni 1991 am Frauenstreik teil. Obwohl der Gleichstellungsartikel seit 1981 in der Bundesverfassung verankert war, passierte viel zu wenig. Grund genug für Frau Hässig und ihre Geschlechtsgenossinnen gegen die politische und gesellschaftliche Ungleichbehandlung von Frauen zu protestieren. Inzwischen sind 32 Jahren vergangen und Frau Hässig & Co haben einiges erreicht, etwa das Gleichstellungsgesetz und die Mutterschaftsversicherung. Trotzdem: Frau Hässig ist immer noch hässig. Frauen leisten den Grossteil an unbezahlter Care-Arbeit. Ganz zu schweigen vom massiv höheren Armutsrisiko von Frauen. Und: Gewalt an Frauen ist auch im Jahr 2023 eine traurige Tatsache. Doch, ob der Frauenstreik heute die dringend nötige Sichtbarkeit dafür schafft, bezweifle ich stark.

    Frau Hässig macht mich hässig! Meines Erachtens bringt diese rabiate Art und Weise gar nichts, höchstens ein schlechtes Image. Zweitens gibt es für mich als moderne Frau keinen Grund am feministischen Kampftag teilzunehmen – denn: Uns Frauen hier in einem der reichsten Länder der Welt geht es viel besser, als der Feminismus uns einreden will. In Wissenschaft und Medien entsteht oft der Eindruck, dass das Leben von Frauen furchtbar sei. Doch Studien, Fakten und Umfragen widersprechen dem. Es geht uns Frauen hier (recht) gut. Die Mehrheit der Frauen fühlt sich auch nicht als Opfer. Wenn man statistisch repräsentative Frauen befragt, dann sehen die meisten nicht weniger Aufstiegschancen als Männer im Beruf. Sie finden ihren Lohn nicht ungerechter. Hierzu möchte ich noch anfügen, dass sich die Unterschiede (auch) aus den Präferenzen von Männern und Frauen erklären lassen. Frauen sind nun einmal stärker an Berufen interessiert, in denen sie mit Menschen zu tun haben und das sind oft schlechter bezahlte Jobs. Mit Unterdrückung hat das gar nichts zu tun. An sogenannten Girls-Day und MINT-Projekten sollen Mädchen für naturwissenschaftliche Berufe sensibilisiert werden. Und dann springen die Mädchen doch nicht auf – trotz guten Karrieremöglichkeiten mit hohen Löhnen. Ergo: Die Mädchen ergreifen mehrheitlich Berufe, in denen sie mit Menschen zu tun haben, die Jungen entscheiden sich für die gut bezahlten technischen Berufe.

    Eine Tatsache hingegen ist, eine Frau mit Kindern hat es schwerer als eine kinderlose Frau und oft auch als ein Mann – eine Alleinerziehende sowieso. Frauen sind auch stärker betroffen von sexueller Belästigung und von Gewalt in Partnerschaften. Aber eine Frau ist nicht einfach ein Opfer bloss, weil sie eine Frau ist. Und hier liegt der Hund begraben: Die Frauenbewegung hatte einst zum Ziel, dass jede Frau so leben kann, wie sie will. Inzwischen dominiert ein Opferfeminismus, der moralisch aufgeladen wird und etwas Bevormundendes hat – ein illiberaler Feminismus, der anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben. Als liberaler Freigeist wehre ich mich dagegen. So stellt man ein unangemessenes Verhalten auf dieselbe Eben wie tatsächlich erlebte Gewalt. Alles wird aufgebauscht und Empörung breitet sich aus. Hand aufs Herz – sich als Opfer zu sehen, hat ja etwas Verführerisches. Für alles, was man nicht erreicht, hat man eine Erklärung, ohne dass die Schuld bei einem selber liegt. Dieser Opferstatus schadet aber den Frauen. Denn man kann die Menschen nicht einfach allein aufgrund des Geschlechtes in Opfer und Täter einteilen oder Herrscher und Beherrschte.

    Gleichberechtigung hier in der Schweiz liegt zu einem grossen Teil in unserer Selbstverantwortung: Wir sollten nicht nur fordern, sondern selbst etwas unternehmen – etwa im eigenen Umfeld für Gleichberechtigung einstehen oder für politische Ämter kandidieren – und vor allem bei uns selbst anfangen: Viele Frauen verharren in ihren von der Gesellschaft auferlegten Mustern und bleiben lieber in der Knechtschaft und somit im Opfermodus als ihre Fesseln zu sprengen und frei zu sein. Denn sich aus der vermeintlichen Komfortzone zu bewegen ist mit Mühe und Aufwand verbunden. Oder wie erkläre ich mir, die zahlreichen Geschichten von Frauen, die Kinder aufgezogen, den Haushalt gemacht haben etc. und ein Leben lang finanziell abhängig von ihrem Partner sind – heisst, ihn für jeden Blumentopf anbetteln zu müssen. Dies kommt in der Schweiz öfters vor als man denkt. So kommen wir Frauen – mit oder ohne Streik – nie weiter!

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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